... ein ganzes Dorf! Wie Kindererziehung leichter gelingt.
- carolineschroeder2
- 1. Okt. 2024
- 4 Min. Lesezeit
psychotherapiejetzt - Praxis für Psychotherapie Caroline Schröder
Serie Lieblingsthemen in der Psychotherapie

Ein Sprichwort über Erziehung
Das Afrikanische Sprichwort "Für die Erziehung eines Kindes braucht man ein ganzes Dorf" trifft etwas, was wir scheinbar vergessen haben.
Es gibt eine typische Lebenssituation, in der Frauen in eine Krise geraten und sich in der Psychotherapiepraxis anmelden - wenn die Kinder ca. 3 bis 8 Jahre alt sind. Das sind in der Regel kluge Frauen, mit beiden Beinen im Leben und mit einer gesunde Liebe für ihre Familie.
Was läuft da schief?
Erziehung in anderen Kulturen
Ich erzähle gerne die Geschichte einer Freundin. Sie lag nach der Entbindung mit einer Frau aus Kenia im Zimmer. Die beiden haben auch nach dem Wochenbett noch Kontaklt gehalten. Die Kenianerin hat hier in Deutschland mit dem deutschen Ehemann bei der Schwiegermutter im Haus gewohnt. Nach der Entbindung wieder zu hause mit dem Neugeborenen hat sie sehr verwundert bei meiner Freundin berichtet, dass die Schwiegermutter ihr nicht mal ein Mittagessen kocht. In Kenia sei das völlig anders: die ersten 3 Monate würde die frischgebackene Mutter von der Familie voll versorgt. Sie müsse, außer stillen, nicht mal für das Kind sorgen, wenn sie nicht wolle. Es seien immer viele schützende Hände und liebende Arme da, die das Neugeborene nehmen und die die Mutter unterstützen.
Mir scheint das logisch: die neue Lebensituation und die hormonelle Umstellung nach der Geburt ist manchmal enorm belastend. Da wird schon vorrauseilend dafür gesorgt, dass die Mutter und das Kind versorgt sind. Vielleicht ist auch die medizinische und sonstige Versorgung ín Kenia nicht so gut wie bei uns. Da brauchen Mutter und Kind alle Hilfe, die sie bekommen können - manchmal sogar um das Überleben zu sichern. Und wenn ich an Frauen mit Depressionen in der Schwangerschaft oder Postpartum Depressionen denke - wie wundervoll, dass da für Mutter und Kind schon gesorgt ist.
Eine große Familie
Außerdem - wenn man sich das vorstellt - eine große Familie mit Tanten und Onkeln, Nichten und Neffen, Omas und Opas, die die Mutter und den Vater unterstützen - wäre es da nicht leichter eine Familie zu gründen? Vielleicht gäbe es dann auch eine höhere Geburtenrate? Ich kann mich erinnern, dass es vor Jahren hieß, dass eine Frau 1,7 Kinder bekommt (Geburtenrate). Wenn ich Madame Google dazu befrage, erfahre ich, dass im Jahr 1980 noch eine Geburtenrate von 3 erfasst wurde. Die Geburtenrate von 2008 war bei 1,7 Kindern pro Frau. Jetzt spuckt Google die Zahl von 1,35 Kindern pro Frau für das Jahr 2023 aus.
Alles hat seine Vor- und Nachteile. Zumindest wird damit die Überbevölkerung nicht befeuert.

Was brauchen wir für die Erziehung eines Kindes?
Offensichtlich viel Unterstützung, Gemeinschaft, Abwechslung und Austausch. Wenn wir wieder in die traditionellen Gesellschaften schauen, sind es eher die Großeltern, die mit viel Geduld die Kleinen erziehen. Eine junge Frau und ein junger Mann sind nicht ausschließlich und dauerhaft für die Kinder da - sie haben andere Aufgaben, für die man die Kraft und Geschicklichkeit eines jungen Menschen braucht. Also liebe Eltern, wenn Sie im Stillen ab und zu - trotz Ihrer Liebe zu Ihrem Kind - darüber nachdenken, wo der Rückgabe-Schalter ist, ist das vermutlich sehr verständlich!
Zu viel allein
In unserer Kultur gibt es das Arrangement, das ich gerne provokativ "Einzelhaft mit Kind" nenne. Wir bauen immer größere Häuser, die immer besser gegen die störenden Geräusche der Nachbarn abgeschottet sind. Stichwort - Dreifachverglasung! Mütter oder Väter in der Erziehungszeit sind dort gut geschützt zu Hause ... und alleine mit den Kindern.
Und dann gibt es die Initiative gegen Einsamkeit des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
In der Lebensphase mit kleinen Kindern sind Frauen zu oft alleine mit den Kindern und zu oft alleine verantwortlich für die Kinder. Das macht offensichtlich krank oder müde oder einsam - deswegen kommt es zu den Anmeldungen in den Psychotherapiepraxen.
Wie Erziehung besser gelingt
Wir empfehlen dann den Haushalt mal sein zu lassen, viel mit den Kindern raus zu gehen und aktive Unternehmungen zu gestalten oder nur auf den Spielplatz um anderen Familien begegnen. Es darf ruhig abgesprochen werden, dass am Wochenende zur Hälfte das gemacht wird, was den Kindern gefällt und zur Hälfte das, was den Erwachsenen gefällt. Den Kindern darf in Gruppen und Vereinen, beim Kinderturnen, beim Schwimmkurs, bei den Pfadfindern oder im Judo-Training der Zugang zu anderen Vorbildern und die Gemeinschaft mit anderen Kindern ermöglicht werden. Für Mütter mit kleineren Kindern gibt es die Krabbelgruppen. Außerdem sollte das Paar, wenn möglich unterstützt von den Großeltern, Freunden oder guten Nachbarn oder einer Babysitterin auch wieder ausgehen können. Schon die Aussicht 1 x im Monat sich wieder als Paar zu erleben und nicht über die Elternpflichten, kann die psychische Situation sehr verbessern. Das Elternpaar sollte also so gut wie möglich sein eigenes Dorf für die Erziehung eines Kindes aufbauen. Ich weiß - das klingt leichter als es ist. In den Therapien stoßen wir da schnell an die Grenzen.
Da bleibt nur die verwunderte Frage - wie sind wir da bloß hingekommen, dass wir immer weniger in Gemeinschaften leben?
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