Die Reinste Form des Wahnsinns ...
- carolineschroeder2
- 24. Dez. 2024
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 29. Dez. 2024
psychotherapiejetzt - Praxis für Psychotherapie Caroline Schröder
Serie Impulse

Leidensdruck als Veränderungsmotivation
Wenn Menschen in die Praxis kommen, haben Sie in der Regel ein ernstes Anliegen. Sie leiden und wollen etwas ändern. In der systemischen Familientherapie werden diese Patienten, die mit einem Leidensdruck kommen, als "Kunden" bezeichnet. Sie haben einen Auftrag und kommen mit der meistens berechtigten Annahme, dass Psychotherapie der richtige Ansatz für Veränderung ist. Sie wollen uns etwas abkaufen.
Dann gibt es die "Besucher". Die werden von Außen motiviert, doch eine Psychotherapie zu machen. Zum Beispiel hat es der Arzt vorgeschlagen oder die Angehörigen wünschen sich eine Veränderung. Diese Patienten haben in der Regel keinen echtes Anliegen an die Psychotherapie. Manchmal kann ein Auftrag erarbeitet werden, wenn die Möglichkeiten, Chancen und Begrenzungen der Psychotherapie vorgestellt werden. Wenn nicht, kann eine Selbsthilfegruppe vorgeschlagen werden und die Therapie beendet werden.
Dann gibt es noch die "Window-Shopper". Das sind Menschen, die haben gehört oder in einem amerikanische Film gesehen, dass es Psychotherapie gibt und sind neugierig, wie das abläuft. Da werden dann eher Selbsterfahrungsangebote oder Coaching zur Persönlichkeitsentwicklung empfohlen. Das hat keinen Platz im gemeinschaftlich finanzierten Gesundheitswesen.
Es braucht Mut, um das Gewohnte zu verlassen
Wenn jemand mit einem echten Anliegen kommt, ist es trotzdem immer noch ein mutiger Schritt in die Psychotherapiepraxis zu kommen ... und all zu oft fallen die notwendigen Schritte der Veränderung schwer. Vor allem bei meinen Angstpatienten höre ich oft "... die Angst soll weg, sonst ist alles gut!".
Oder "... ich will das mein Leben wieder so ist, wie vorher!"
Da fällt mir dann im Stillen oft der Spruch von Albert Einstein ein: Die reinste Form des Wahnsinns ist, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.
Veränderung auf vielen Ebenen
Bei den Angstpatienten ist natürlich nicht alles gut - nur die Angst soll weg. Die Angst ist hier ein Signal, dass etwas gar nicht gut ist und der Mensch genau da nicht hinschauen will. Natürlich werden zuerst die Methoden angeboten, die zu einer schnellen Angstreduktion führen. Das sind alle Methoden die aus der Verhaltenstherapie kommen und den erlernten Anteil der Angst auflösen helfen und die starke körperliche Aktivierung bei Angst beruhigen sollen.
Das muß sein, weil eine Angststörung schrecklich ist und für die Patienten nur schwer zu ertragen.
Aber dann kommen die anderen Themen auf den Tisch, da sonst der Erfolg der Therapie nicht dauerhaft ist.
Da geht es um Veränderung von Gewohnheiten im Denken und Handeln.
Erfahrung macht klug ... und verändert uns
Auch bei den anderen Patienten, die sagen, es soll nur wieder alles so sein wie vorher - vor der Krise, vor der Depression, usw..
Das kann kein Therapeut anbieten, da die Erfahrung einer Depression oder einer Krise nicht ungeschehen gemacht werden kann. Der Mensch ist unwideruflich ein anderer. Er hat eben diese Lebenserfahrung .- im Guten wie im Schlechten - im Gepäck. Für immer!
Was wir anbieten können, ist, dass es den Patienten wieder besser gehen wird und meistens auch, dass sie sich als bereichert und klüger erleben, wenn sie die Krise hinter sich haben.
Veränderung im Umgang mit dem Körper
Ich denke gerade an eine Patientin, die nie verstanden hat, was es heißt "dein Körper ist dein Partner" und "der Körper will Dir etwas mitteilen". Sie dachte immer, sie ist die Chefin und ihr Körper hat zu funktionieren, wie sie das möchte ... und sonst nix ... bis sie in eine deutliche Überlastung und Erschöpfung geraten ist.
Zum Abschluss der Therapie war ihr sehr bewußt, dass der Körper Signale schickt und Mitteilungen macht, die sie gelernt hat zu beachten, damit sie langfristig gesund bleibt. Diese Patientin war nach der Therapie nicht wie vorher - sie war klüger und bereichert um die Körperwahrnehmung und Selbstfürsorge.

Veränderung von liebgewordenen Gewohnheiten
Jetzt in der Weihnachtszeit frage ich gerne, wie die Patienten Weihnachten verbringen und ob sie sich auf die Weihnachtstage freuen. Mir ist aufgefallen, dass es da zwei Lager gibt:
die, die sich tatsächlich auf die Weihnachtstage freuen und diese genießen können und
die, die auf die Weihnachtszeit mit einem gewissen Grauen blicken.
Dieser Unterschied hat mich fasziniert.
Wir konnten herausfinden, was den Unterschied ausmacht: in den Familien, in denen über Jahre oder Jahrzehnte immer das gleiche Ritual abgespult wird, entsteht dieses leise Grauen vor den Weihnachtsfestlichkeiten.
In den Familien, in denen immer wieder Veränderungen an den Ritualen vorgenommen wurden, kann man die Tage genießen.
Veränderungen machen es möglich, dass die Feierlichkeiten und die freien Tage so gestaltet werden, dass sie zu den aktuellen Bedürfnissen passen. Vielleicht muß da auch mal ein Elternteil enttäuscht werden. In der Regel tut es am Ende auch denen gut, die an alten Ritualen festhalten wollen. Auch die werden zu Veränderungen und Anpassungen an die aktuellen Bedürfnisse gezwungen.
Veränderung im Rhythmus der Veränderungen
Diese Form der Selbsfürsorge - immer wieder nachfragen, ob eine Gewohnheit noch passt - empfehle ich allen. Außerdem empfehlen wir Psychotherapeuten gerne die Flexibilität im Alltag zu trainieren. Z.B. kann man ab und zu einen anderen Weg zu Arbeit fahren, in einem anderen Supermarkt einkaufen, eine andere Stadt zum Stadtbummel aufsuchen, einen anderen Spazierweg aussuchen oder gar einen neuen Urlaubsort. Diese kleinen Veränderungen halten uns beweglich, dass wir auch die anderen notwendigen Veränderungen rechtzeitig veranlassen können.
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